Die Diffusion von Eco-Innovationen im Spannungsfeld von Staat und Markt - Das Beispiel des Elektroautos in ausgewählten europäischen Ländern

  • The diffusion of eco-innovations between state and market - The example of electric cars in selected European countries

Manthey-Kloppenburg, Catharine; Fromhold-Eisebith, Martina (Thesis advisor); Pfaffenbach, Carmella Diana (Thesis advisor)

Aachen (2018)
Doktorarbeit

Dissertation, RWTH Aachen University, 2018

Kurzfassung

Eco-Innovationen wie Elektroautos sind ein zentrales Element, um den Verkehrssektor in Richtung Nachhaltigkeit zu transformieren. Dies ist dringend erforderlich, da ein hoher Anteil umwelt- und gesundheitsschädlicher Emissionen auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren zurückzuführen ist. Aufgrund ihres hohen Potenzials zum Erreichen von Klimazielen werden Elektroautos in zahlreichen europäischen Ländern von staatlicher Seite gefördert. Während sie auf einigen wenigen Märkten bereits hohe anteilige Zulassungszahlen aufweisen, bleibt trotz ambitionierter staatlicher Zielsetzungen die Diffusion auf anderen aus. Dies lässt darauf schließen, dass neben ökonomischen Anreizen weitere Faktoren, wie beispielsweise länderspezifische Entwicklungspfade, Akteurskonstellationen und soziokulturelle Faktoren, einen maßgeblichen Einfluss auf die Ausbreitung haben. Ziel der Arbeit war es, am Beispiel des Elektroautos die unterschiedlichen Akteure, Hintergründe und Einflussfaktoren, die die Diffusion von Eco-Innovationen prägen, zu evaluieren. Ein besonderer Fokus lag dabei auf räumlichen Ungleichentwicklungen, die bis dato, vor allem auf nationaler Ebene, wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht wurden. Um diese Lücke zu schließen, wurde ein Synthesemodell konzipiert, das Akzeptanz- und Diffusionsmodelle aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften um Kernelemente der "geography of sustainabilty transitions (GOST)"-Forschung ergänzt. Anhand des Modells, das Eco-Innovationen auf Mikro-, Meso- und Makroebene abbildet, ist eine Analyse des Spannungsfeldes von Staat und Markt, in dem sich die betroffenen Akteure auf politischer, Angebots- und Nachfrageseite bewegen, deutlich umfassender möglich als mit bisherigen Modellen. Auf Basis des Modells wurde die Diffusion von Elektroautos in den Ländern Deutschland, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und Norwegen analysiert. Hierzu wurden neben dem Rückgriff auf Sekundärliteratur, Länderdaten und Statistiken 34 leitfadengestützten Experteninterviews mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in den Untersuchungsländern geführt. Ergänzt wurden diese durch eine standardisierte Befragung, an der sich insgesamt 677 Personen in den Auswahlländern beteiligten. Die Analyse verdeutlichte, dass die staatliche Einflussnahme auf den Diffusionsprozess und der Erfolg der Maßnahmen stark durch die Angebotsseite, in Form der Automobilindustrie, geprägt ist. So zeigt das Beispiel Deutschland, dass die Automobilindustrie aufgrund ihrer technologischen und wirtschaftlichen Stärke im Verbrennungsmotorensegment die Diffusion hierzulande lange Zeit gehemmt hat. Länder ohne volkswirtschaftlich relevante Automobilindustrie, wie die Niederlande oder auch Norwegen, konnten ihre Förderinstrumente hingegen weitgehend frei von industriepolitischer Rücksichtnahme gestalten und rein auf die Nachfrage konzentrieren. Die Zulassungszahlen verdeutlichen den Erfolg dieser Herangehensweise. Der räumliche Kontext in Form von Technologiepfaden oder industrieller Spezialisierung auf nationaler Ebene ist somit für Diffusionsprozesse von hoher Bedeutung. Beispiele, wie Frankreich oder auch Österreich, in denen Staat und Industrie Hand in Hand gingen, ohne, dass dies zu den gewünschten Zulassungszahlen führte, unterstreichen darüber hinaus die Relevanz weiterer raumspezifischer Faktoren. In der Arbeit wurde dies anhand unterschiedlicher Kulturdimensionen dargestellt, die belegen, dass Akzeptanz von Elektroautos und anderen technologischen Innovationen beispielsweise in jenen Ländern besonders niedrig ist, die durch eine hohe Risikovermeidung geprägt sind. Zugleich weisen Gesellschaften, die zu Pragmatismus neigen, eine hohe Affinität gegenüber technologischen Innovationen auf. Diese Erkenntnisse und deren Hintergründe sollten bei der Gestaltung von Maßnahmen zur Diffusionsförderung von Akteuren aus Politik und Industrie zukünftig berücksichtigt werden. Eine Bevölkerung, die grundsätzlich technologieaffin ist, bedarf deutlich anderer Instrumente als eine, die technologischen Neuerungen ohnehin skeptisch gegenübersteht. Die Analysen haben auch gezeigt, dass nicht unbedingt der ökologische Mehrwert die Menschen von der Nutzung einer Eco-Innovation überzeugt. Zwar mag dies Auswirkungen auf Entscheidungen einzelner Gruppen haben, die breite Masse jedoch entscheidet sich aufgrund darüber hinausgehender Attribute für eine Eco-Innovation. Hierzu zählen unter anderem die Passfähigkeit zur Lebenssituation, der Spaßfaktor oder auch das Prestige, das der Erwerb der Innovation mit sich bringt. Dementsprechend ist ein ausschließlicher Fokus auf die positiven Umweltaspekte nicht zielführend. Als zentrales Ergebnis der Arbeit ist festzuhalten, dass das Potenzial für eine Transition des Verkehrssektors zugunsten der Elektromobilität derzeit deutlich höher ist als in der Vergangenheit, in der es ebenfalls staatliche Ansätze gab, um alternative Antriebe zu fördern. Die positiven Aussichten für die Elektromobilität und Eco-Innovationen im Allgemeinen sind unter anderem auf ein stärkeres Bewusstsein für Umweltproblematiken in Politik und Gesellschaft zurückzuführen. Staatliche Visionen und derzeitige gesellschaftliche Trends eröffneten dabei ein "window of opportunity" für neue Wettbewerber in der Automobilindustrie, die die etablierten Hersteller mit ihren Innovationen unter Druck setzen und damit eine weltweite Marktdynamik zugunsten der Elektromobilität auslösten.

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